schlaugemacht hat ein neues Zuhause!

umzugAb sofort findet ihr schlaugemacht unter seiner eigenen Domain: www.schlaugemacht.net! Alles bleibt wie immer, ein paar neue Beiträge warten auch schon darauf, gelesen zu werden. Die Texte hier bleiben noch eine Weile erhalten, aber irgendwann lösche ich sie, um Verwirrung zu vermeiden 🙂
Hoffentlich sehe ich euch bald auf schlaugemacht.net!

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Tuberkulose, Pest und Cholera – alles eine Frage der Faltung

File:Yersinia pestis Bacteria.jpg

Der Erreger der Pest, Yersinia pestis, (gelb) auf einem Floh (violett). Raster-elektronenmikroskopische Aufnahme, nächträglich eingefärbt. (Foto: National Institute of Allergy and Infectious Diseases, USA)

Während es mit der Karriere der Pest seit dem 14. Jahrhundert rapide bergab ging, stellen Cholera und vor allem Tuberkulose die Welt noch immer vor große Probleme. Dank der vereinten Mühen von Forscherteams aus Bochum, Leipzig und Braunschweig verstehen wir jetzt besser, wie die Bakterien, die diese Krankheiten verursachen, ihren Angriff auf unser Leib und Leben starten.

Wenn es in unserem Körper demokratisch zuginge, hätten wir jeden Tag Stichwahl: Etwa 40 Billionen (eine 4 mit 13 Nullen) eigene Körperzellen besitzen wir – und etwa genausoviele Bakterien tummeln sich auf unserer Haut, unseren Schleimhäuten und im Darm. Eklig? Keineswegs! Ohne Bakterien könnten wir nicht überleben: Sie wehren Krankheitserreger ab und helfen uns bei der Nahrungsverdauung. Da sie viel kleiner sind als unsere eigenen Körperzellen, fallen sie uns (zum Glück) nicht weiter auf. Aber wehe, eine nicht so wohlmeinende Bakterienzelle dringt ein!

Zu den fiesesten Vertretern der bakteriellen Krankheitserreger gehören Yersinia pestis, Yersinia pseudotuberculosis und Vibrio cholerae – die Namen sind Programm. Die Pest weckt heutzutage höchstens noch geistige Bilder von gruseligen mittelalterlichen Gemälden – sie ist inzwischen relativ harmlos und gut behandelbar. Tuberkulose und Cholera sorgen aber nach wie vor für hohe Todeszahlen, vor allem in ärmeren Ländern mit schlechter Trinkwasserversorgung. Um diese Krankheiten bekämpfen zu können, hilft es ungemein, zu verstehen, wie die Bakterien sie auslösen.

Das haben Forscher um Franz Narberhaus von der Ruhr-Uni Bochum jetzt zumindest teilweise aufgeklärt: Yersinia pestis, Yersinia pseudotuberculosis und Vibrio cholerae enthalten „molekulare Thermometer“. Einfach gesagt sind das Moleküle, die bei kühleren Temperaturen anders aussehen als bei höheren. Dringen die Bakterien in unseren Körper ein, erwärmen sie sich schnell auf unsere Körpertemperatur, also 37 °C. Die Thermometer-Moleküle ändern daraufhin ihre Gestalt und das ist das Angriffssignal – die Pest bricht in uns aus!

Wie funktioniert das genau? Bei den Thermometer-Molekülen handelt es sich um RNA. Das sind Kopien von Genen, die auf der DNA liegen. Die Gene auf unserer DNA stellen Baupläne für Proteine dar. So ein Bauplan darf aber nicht im Original, also als Gen selbst, verwendet werden, sondern es wird eine Kopie gemacht, eben die RNA. Der Bauplan auf der RNA wird von einem Enzym abgelesen, das nach dieser Info dann das Protein herstellt. Dabei kann eine RNA hunderte Male hintereinander abgelesen werden, um viele Exemplare eines Proteins herzustellen. Dasselbe passiert auch in den Bakterien, wenn sie Krankheiten auslösen: Die Bakterien brauchen die Proteine, die so hergestellt werden, um unseren Körper zu befallen. Die RNA für diese Proteine kann nun in zwei Zuständen vorliegen: offen und bereit für die Proteinproduktion oder zusammengefaltet und damit unzugänglich für das Enzym, das sie abliest. Und ihr habt es sicher schon erraten, bei Temperaturen um die 37 °C ist die RNA offen, bei niedrigeren Temperaturen ist sie zusammengefaltet. So wird das Bakterium erst so richtig aktiv, nachdem es in unseren Körper gelangt ist. Die Faltung erfolgt durch Verbindungen, die einzelne Wasserstoffatome innerhalb der selben RNA miteinander schließen. Bei höheren Temperaturen werden diese Verbindungen instabil und die RNA schmilzt regelrecht auf.

Die Frage aller Fragen: Kann man das für Medikamente benutzen? Zwei Antworten: „Ja“ und „Noch nicht“. Prinzipiell ist es nicht schwierig, Wirkstoffe herzustellen, die das Aufschmelzen der RNA verhindern und damit die Bakterien zur Untätigkeit zwingen. Das Problem ist jedoch, diese Wirkstoffe halbwegs gezielt durch den Körper zu den Bakterien zu bringen. Und dann müssen sie ihn auch noch aufnehmen. Das ist gar nicht so einfach, eine Bakterienzelle – so wie alle Zellen aller Lebwesen – nehmen nicht einfach so irgendeinen Stoff auf, der gerade vorbeischwimmt. Er könnte ja giftig sein. Was in diesem Fall genau der Zweck wäre. Aber um herauszufinden, wie man die Bakterien so auszutricksen kann, dass die so ein Medikament aufnehmen, müssen Wissenschaftler noch ein bisschen weiterforschen. Immerhin, ein Anfang ist gemacht!

Für die Streber unter uns gibt es hier die Original-Publikation (leider nur, wenn man registriert ist): http://www.pnas.org/content/early/2016/06/10/1523004113.abstract
Righetti F, et al. Proc Natl Acad Sci USA. (2016 Jun 13)

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Jedem Tierchen seinen Star

Wissenschaftler haben ein bisschen Hollywood in der Welt der Gliederfüßer – Spinnen, Insekten und Krebse – gebracht. Man sollte denken, dass es eine Ehre ist, wenn eine neu entdeckte Tierart nach einem benannt wird. Doch bei so manchen dieser kleinen Kreaturen fragt man sich, ob ihr unfreiwilliger Namenspate wohl so begeistert ist…

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Bild: commons.wikimedia.org, Lizenz CC BY-SA4.0

Die Wespe Aleiodes shakirae etwa legt ihre Eier in lebenden Raupen einer bestimmten Schmetterlingsart ab. Schlüpfen die Wespenlarven, fressen sie die Raupe von innen auf – erst die weniger lebenswichtigen Teile, sodass die Raupe noch eine Weile lebt. Kurz vor ihrem Tod wackelt die Raupe dann mit dem Unterleib hin und her. Anscheinend tut sie das derart gekonnt, dass die Entdecker sich an Shakiras Bauchtanzkünste erinnert fühlten und der Wespe, die die arme Raupe so tanzen lässt, den Namen der Sängerin verpassten.

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Bild: Bryan Lessard, scienceimage.csiro.au

 

Ebenfalls für guten Gesang und ihre bemerkenswerte untere Körperhälfte bekannt ist Beyoncé. Das nach Ihr benannte Insekt kommt ihr sogar in Sachen Eleganz ein wenig nahe: Die Fliege Scaptia beyonceae hat einen golden glänzenden Hinterleib. Dessen Ausmaße waren es angeblich auch, die den Entdecker der Fliege inspirierten, sie nach Beyoncé zu benennen…

 

 

Und dann wäre da noch Agathidium vaderi, ein Vertreter aus der Familie der Schwammkugelkäfer. Den Wissenschaftlern, die ihn bennenen durften, fiel sofort seine schwarzglänzende Panzerung auf. Kommt die jemandem irgendwie bekannt vor? Aus so einer Filmreihe, Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger, mit Raumschiffen und Laserschwertern und so? Der Name „Schwammkugelkäfer“ kommt übrigens daher, dass diese Käfer Pilze fressen (in einigen Landstrichen auch „Schwamme“ genannt). Drei Vertreter, die sich speziell von Schleimpilzen ernähren, wurden nach amerikanischen Präsidenten benannt. Bush ist auch dabei. Strikt ehrenhalber, natürlich!

Auch Barack Obama musste seinen Namen hergeben, für die Spinne Aptostichus barackobamai. Zwei andere Spinnen derselben Gattung wurden nach dem Comedien Stephen Colbert beziehungsweise nach Angelina Jolie benannt.

Kurzer Klugscheißer-Exkurs an dieser Stelle: Die wissenschaftlichen Namen eines Tieres oder einer Pflanzen bestehen meistens aus zwei, manchmal aus drei Teilen. Der erste Teil, also zum Beispiel „Aptostichus“, bezeichnet die Gattung. Innerhalb einer Gattung kann es mehrere Arten geben, wie bei diesen Spinnen der Fall. Die einzelnen Arten kriegen dann entsprechend unterschiedliche zweite Namensteile, die dann die Spezies bezeichnen. Wenn noch ein drittes Wort dasteht, ist das die Unterart. Findet man eine neue Art, muss man sie gründlich untersuchen, meist wird auch die DNA (zumindest teilweise) sequenziert. Dadurch kann man die Art oft in eine schon bestehende Gattung einordnen und ist damit bei der Namensgebung beim ersten Wort festgelegt. Der Artname kann jedoch beliebig gewählt werden – wie hier eindrücklich demonstriert. So, Exkurs vorbei.

Die meisten tollen Tiere wurden bereits vor langer Zeit gefunden, beschrieben und benamst. Neu benannt werden darum heutzutage fast nur kleine, schwer zu findende Krabbeltierchen, über die Forscher erst jetzt stolpern. Jennifer Lopez hatte ein bisschen Pech, dass eine Gruppe Marinebiologen ihrem Album lauschte, während sie eine Ozeanmilbe beschrieben. Wer will seinen Namen schon mit einer Milbe in Verbindung bringen? Bob Marley hat es allerdings noch schlimmer erwischt – Gnathia marleyi ist ein blutsaugender, parasitisch lebender Mini-Krebs.

Hollywoods Stars sollten besser hoffen, dass demnächst eine neue Dinosaurierspezies benannt wird. Oder wenn es schon ein Insekt oder so etwas sein muss, dann doch wenigstens ein Schmetterling.

 

 

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Blasen im MRT

Sprechen_MRT_ScreenshotDie Abkürzung „MRT“ hat jeder bestimmt schonmal gehört. Die drei Buchstaben stehen für das Wort „Magnetresonanztomografie“.Bei einem Magnetresonanztomografen handelt es sich um eine der berüchtigten „Röhren“, in die man geschoben wird, wenn die Ärzte nicht so richtig wissen, was man hat. Anders als die Computertomografie – auch so eine „Röhre“ im Krankenhaus – arbeitet die MRT nicht mit eventuell schädlicher Röntgenstrahlung, sondern mit Magnetfeldern. In der folgenden Box könnt ihr nachlesen, wie MRT funktioniert.



Box: So funktioniert MRT

Die Technik der Magnetresonanztomografie macht sich drei Eigenschaften der Wasserstoff-Atomkerne in unserem Körper zu Nutze: 1) Wasserstoff-Atome kommen in jedem unserer Organe vor. 2) Wasserstoff-Atomkerne drehen sich um sich selbst, wie ein Kreisel. Das nennet man „Spin“ oder auch „Kernspin“. 3) Durch diesen Spin haben Wasserstoff-Atomkerne ein kleines Magentfeld um sich herum.
Wird der Körper nun einem statischen (feststehenden) Magnetfeld ausgesetzt, wie es im MRT geschieht, richten die eigenen Magnetfelder der Atomkerne sich in diesem umgebenden Magnetfeld aus. Wenn nun zusätzlich ein kurzer magnetischer Impuls gegeben wird, der eine andere Richtung als das statische Magnetfeld hat, fangen die sich drehenden Atomkerne mit ihrem winzigen Magnetfeld an zu „eiern“. Man kann es sich so vorstellen, als ob man zwei Magnete an einen Kreisel klebt, einmal mit dem Pluspol nach außen und einmal mit dem Minuspol nach außen. Man bringt den Kreisel in Drehung – das ist der Spin – und nähert sich dann ganz kurz mit einem weiteren Magneten dem Kreisel an. Die Magnete am Kreisel werden durch den sich nähernden Magneten angezogen oder abgestoßen und der Kreisel gerät kurz ins Eiern.

Abb1

Dieses „Eiern“ – der korrekte Ausdruck ist „Präzession“ – unserer Atomkerne verursacht eine kleine elektrische Spannung, die gemessen werden kann. Aus diesen Messungen wird schließlich das endgültige Bild errechnet. Doch wozu braucht man das statische Magentfeld, wenn der kurze magnetische Impuls das Entscheidende ist? Ganz einfach. Stellt euch vor, ihr habt viele Kreisel, die sich alle drehen. Aber die Magnete aller Kreisel sind nicht zur selben Zeit am selben Ort. Wenn ihr euch jetzt mit einem großen Magneten allen Kreiseln zugleich nähert, werden sie zwar eiern („präzedieren“), aber alle in unterschiedliche Richtungen. Und im MRT müssen alle Atomkerne gleichzeitig kurz in dieselbe Richtung präzedieren. Durch das statische Magnetfeld werden die Magnetfelder der Atomkerne also alle gleich ausgerichtet, damit sie dann durch den hinzugegebenen kurzen magnetischen Impuls alle zur selben Zeit in dieselbe Richtung eiern.Abb2



Wenn man aus der „Röhre“ wieder rauskommt, hat der Arzt ein Graustufen-Bild auf dem Computerbildschirm, das einen Schnitt durch den Körper zeigt. Dafür ist ein MRT also nützlich – es zeigt das Körperinnere, ohne, dass man unters Messer muss. Eine klassische MRT-Aufnahme dauert mehrere Sekunden. Da der Arzt viele Aufnahmen machen muss, um zu sehen, was mit einem los ist, liegt man teilweise ganz schön lange im MRT. besonders für Leute mit Klaustrophobie kann das sehr unangenehm sein. Außerdem ist das Ergebnis ein Standbild. Für manche Krankheiten und innere Verletzungen wäre es aber extrem hilfreich, wenn man im MRT Filme vom Körperinneren aufnehmen könnte, und somit dem Körper quasi „live“ bei der Arbeit zuschauen könnte.

Jens Frahm, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, hat bereits in den Achtigzerjahren des letzten Jahrhunderts eine Methode entwickelt, mit der MRT-Aufnahmen 100 mal schneller gemacht werden können, genannt FLASH. Bevor der Physiker und sein Team diese Technik entwickelt hatten, dauerte eine Aufnahme so lange, dass man das MRT im Krankenhaus nicht benutzen konnte.

In den Jahrzehnten, die seitdem vergangen sind, haben Jens Frahm und seine Arbeitsgruppe diese Technik so weit vorangetrieben, dass eine Aufnahme jetzt sogar nur noch 20 bis 30 Millisekunden dauert, das ist schnell genug für einen Film. Der Traum von der Liveschaltung ins Körperinnere ist also wahr geworden. Und die Videos, die Jens Frahm und andere Wissenschaftler und Ärzte mit dieser Technik aufgenommen haben, sind nicht nur aufschlussreich, sondern teilweise auch ziemlich skurril.

So sieht zum Beispiel ein Längsschnitt durch den Kopf eines sprechenden Menschen aus (am Ende leckt der Proband sich die Lippen und schluckt):

Das große, weiße Ding im Zentrum des Bildes ist übrigens die Zunge. Falls jemand herausfindet (oder einfach nur eine Idee hat), was derjenige sagt, freue ich mich über einen Kommentar unter diesem Beitrag!

Auch Filme vom Schluckvorgang wurden bereits aufgenommen; vor allem davon, was im Körper passiert, wenn ein Schluck von der Speiseröhre in den Magen übergeht. Die so gewonnen Erkenntnisse sollen helfen, die Ursachen für das Volksleiden Sodbrennen zu klären. Die Gründe können recht unterschiedlich sein, darum ist es von immensem Vorteil, wenn jeder Patient eine individuelle Diagnose und entsprechende Behandlung bekommt – Echtzeit-MRT sei Dank!

Ein eher unbekanntes und deutlich weniger weit verbreitetes Leiden ist die fokale Dystonie bei Musikern. Dabei handelt es sich um ein Nervenleiden, bei dem Musiker Lähmungen in genau dem Körperteil erfahren, mit dem sie ihr Instrument spielen – und zwar nur dann, wenn sie zum Spiel ansetzen. Ein Pianist hätte also Lähmungen in Händen und Unterarmen, ein Trompeter in Lippen oder Zunge. Letzterem gingen Jens Frahm und sein Team genauer auf den Grund. Dazu luden sie einige Blechbläser – einen Trompeter, einen Posaunisten, einen Hornisten und einen Tubisten (=Tubaspieler) – ein, ihr Instrument zu spielen, während sie im Echtzeit-MRT lagen. Jeder spielte eine festgelegte Tonreihe. Da die echten Instrumente doch nicht mit in die Röhre passten, wurde den Musikern eine Plastiktröte in die Hand gedrückt. Dann wurde mithilfe der Echtzeit-Technik gefilmt, wie genau jeder Instrumentalist die Zunge bewegt, um die Tonfolge zu spielen. Dabei gab es einige Unterschiede im Timing und der Richtung der Zungenbewegung, die anhand der Bilder aus dem MRT genauestens gemessen und ausgewertet wurden. Hier habe ich ein Video vom YouTube-Kanal der Hornistin Sarah Willis eingefügt, die ihre Künste im Rahmen einer ähnlichen Studie von Jens Frahm bewiesen hat. Da kann man die Zungenbewegungen prima sehen. (Die ersten 25 Sekunden des Videos sind zwar auf englisch, aber Musik ist ja bekanntlich eine internationale Sprache)


Aber wozu das Ganze? Obwohl diese Studie ein bisschen aussieht wie ein verzeifelter Versuch, sich für den Ig Nobelpreis zu qualifizieren, hat sie doch einen sinnvollen Zweck: Kaum eine Tätigkeit erzeugt so schnelle, willkürlich verursachte Zungenbewegungen wie das Spielen eines Blasinstrumentes. Diese Studie ist also hervorragend geeignet, die Welt von den zeitlich hochaufgelösten Bildern des Echtzeit-MRT zu überzeugen. Ich hoffe zwar, dass ich oder meine Freunde und Familie nie ein MRT nötig haben, aber ich bin begeistert von dieser neuen Technik! Sie wird zur Zeit gemeinsam mit Ärzten an Patienten getestet und hält hoffentlich bald Einzug in die Krankenhäuser.

Und zum Schluss: Beatboxing im Echtzeit-MRT. Weil’s geht.
(Video der Speech Knowledge and Articulation Group (SPAN), University of Southern California (sail.usc.edu/span))

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Ferdsch!

Vor inzwischen drei Wochen habe ich meine Doktorarbeit verteidigt. Dann musste ich mich erst einmal ausruhen. Jetzt geht es weiter mit schlaugemacht! Ich hoffe, dass ich jetzt öfter schreiben kann. Mein neuer Job hat geregelte Arbeitszeiten und lässt mir darum viel mehr Raum für Eigenes 🙂

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traditionell basteln die Kollegen dem Promovenden einen Doktorhut, der Hobbies und Persönlichkeit widerspiegelt. Im meinem Hut habe ich mich zu 100 % wiedergefunden 🙂

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Endlich geschafft! Prost! Das ist übrigens eine Fruchtfliege aus Plüsch an meinem Revers.

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Wer weniger atmet, lebt länger

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Der Türkise Pachtgrundkärpfling (Nothobranchius furzeri) commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0

Wissenschaftler des Jenaer Forschungskonsortiums JenAge haben herausgefunden, dass die Aktivität einiger Gene in jungen Aquarienfischen vorhersagt, wie alt diese Fische werden. Die Gene enthalten den Bauplan für eine Gruppe von Proteinen, die in der Zellatmung eine Rolle spielen. Luft anhalten hilft also leider nicht, denn die Zellatmung kann man damit auf Dauer nicht beeinflussen. Aber was ist Zellatmung?

Bevor ich das erkläre, erst einmal ein wenig über den Fisch. Unter Aquarianern ist er als Türkiser Prachtgrundkärpfling bekannt, auf Schlau heißt er Nothobranchius furzeri. Der lustige Name kommt daher, dass er von einem Forscher namens Richard Furzer entdeckt wurde (der zu seinem eigenen Glück Amerikaner war und darum in seiner Kindheit hoffentlich nicht gehänselt wurde). Das Besondere an diesem aus Afrika stammenden Fisch ist, dass er in Tümpeln und großen Pfützen lebt, die in der Regenzeit entstehen und auch recht schnell wieder austrocknen. Er muss sich darum sehr schnell entwickeln und fortpflanzen – und stirbt auch recht schnell wieder. Selbst unter Idealbedingungen im Aquarium lebt er nur etwa drei Monate, allerhöchstens wird er ein Jahr alt (das ist aber eher die Ausnahme). Und ähnlich wie viele Menschen entwickelt auch der Prachgrundkärpfling im Alter Tumore und erleidet eine Abnahme der Hirnfunktionen. Er ist also ein interessantes Modell, um Alterungsprozesse zu erforschen und vor allem herauszufinden, ob und wie Altern und  Lebensdauer genetisch festgelegt sind.

Die Fragen nach dem Ob und Wie konnten nun ein stückweit beantwortet werden, als Forscher um Alessandro Cellerino am Leibniz-Institut für Alternsforschung in Jena herausfanden, dass die Fische mit der geringsten Genaktivität für einige Zellatmungs-Proteine am ältesten wurden. Nun also zur Zellatmung:
Mit diesem Begriff bezeichnet man die Umwandlung von Zucker aus unserer Nahrung in Energie in der Zelle. Diese Energie wird in einem Molekül gespeichert, dem Adenosintriphosphat (ATP). Wird ATP von Enzymen in der Zelle benutzt, zerfällt es gewissermaßen und setzt dabei Energie frei. Ohne ATP könnten die Enzyme ihre Arbeit – den Aufbau von Strukturen in unserem Körper, den Abbau von Nährstoffen, etc. – nicht verrichten. Ist ATP einmal in seine Bestandteile zerfallen, wird es jedoch nicht nutzlos, denn durch den Verbrauch von Zucker kann es wieder „zusammengesetzt“, also recycelt werden (das Recycling von ATP ist also der Grund, weshalb wir essen müssen). So geht das immerfort, und dieser ganze Prozess heißt Zellatmung.  Das ATP-Recycling findet in speziellen Zellorganellen, den Mitochondrien statt. Was hat das alles mit Atmung zu tun? Ganz einfach – dieser Prozess benötigt Sauerstoff. ATP ist also auch noch der Grund, weshalb wir atmen müssen! Ganz schön gierig, dieses ATP! Nun ja, wir sollten ihm verzeihen, denn ohne es könnten wir nicht leben.

Für die Zellatmung benötigen die Mitochondrien viele verschiedene Proteine, die in Komplexen zusammenarbeiten. Der Bauplan für jedes dieser Proteine ist in dem für ihn spezifischen Gen gespeichert. Ist ein Gen besonders aktiv, wird der Bauplan häufig abgelesen und umgesetzt, also viel von dem jeweiligen Protein produziert.

Die Wissenschaftler im Team von Alessandro Cellerino untersuchten eine Gruppe von 45 Prachtgrundkärpflingen, indem sie kleine Gewebeprobem von ihren Schwanzflossen nahmen (die wachsen bei Fischen nach). Sie taten das einmal 10 Wochen, nachdem die Fische aus dem Ei geschlüpft waren, und noch einmal 20 Wochen danach. Dann warteten sie, bis die Fische an Altersschwäche starben. Auf Grund des Alters bei ihrem natürlichen Tod teilten die Forscher die Fische dann in drei Gruppen ein: kurzlebig, langlebig und sehr langlebig. Mithilfe der zuvor entnommenen Gewebeproben konnten sie dann nachsehen, welche Gene bei welcher Gruppe besonders hohe oder niedrige Aktivität zeigte. Dabei stellte sich heraus, dass die Gene für den oben erwähnten Atmungskomplex bei den sehr langlebigen Fischen die geringste Aktivität zeigte, bei den kurzlebigen Fischen entsprechend die höchste.

Cellerinis Team ging noch einen Schritt weiter und verabreichte einigen Fischen das Medikament Metformin, dass die Funktion dieses Atmungskomplexes in den Mitochondrien hemmt. Und die mit Metformin behandelten Fischen lebten dann auch länger. Die Alterung wird also nicht an sich durch die Aktivität der Gene beschleunigt, sondern durch die daraus resultierende größere Zahl an Atmungskomplexen.

Bisher dachte man, eine auf Hochtouren laufende Zellatmung wäre besser für die Zellen, nun stellt sich also heraus, dass eine reduzierte Zellatmung gesünder ist. Warum ist das so? Cellerino erklärt es so, dass bei einer reduzierten Zellatmung mehr freie Radikale entstehen als bei ungehemmter Zellatmung. Das scheint zunächst ein Widerspruch, denn freie Radikale zerstören Zellstrukturen. Aber eine nur leicht erhöhte Konzentration der feien Radikalen hat den Effekt, dass die Zellen mit ihnen umzugehen lernen und schneller auf Schäden reagieren. Die Zellen werden quasi gegen freie Radikale abgehärtet, was letztlich ihre Lebensdauer erhöht.

Metformin verlängert übrigens auch Mäuseleben und ist bereits als Medikament gegen Diabetes erhältlich. Aber jetzt nicht haufenweise Süßigkeiten essen, damit man irgendwann Metformin nehmen darf! Rotwein trinken ist anscheinend die bessere Lösung, denn der Stoff Resveratrol kommt darin in hoher Konzentration vor. Der hat in Versuchen mit Mäusen und Zellkulturen gezeigt, dass er lebensverlängernd und krebshemmend wirkt. Also, tief durchatmen und sich ein Gläschen gönnen!

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Die Superbabies kommen…

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Das obere Bild illustriert das Horrorszenario in den Köpfen vieler, wenn sie „Forschung an menschlichen Embryonen“ hören. Es wird aber lediglich an kleinen Gruppen von Zellen sehr früher Embryonen geforscht. (Fotos:commons.wikimedia.org)

…erstmal nicht. In Großbritannien wurde vor wenigen Tagen die Erlaubnis gegeben, menschliche Embryonen genetisch zu verändern, das gab es nie zuvor. Sofort haben sich Stimmen geregt, die Bedenken aussprachen, jetzt könnten Supermenschen designt werden. Aber diese Angst ist unbegründet und ich möchte euch erklären, warum.

Zunächst einmal wurde die Erlaubnis nur einem einzigen Forschungsteam am Londonder Francis Crick-Institut erteilt. Geleitet wird dieses Team von der Molekularbiologin Kathy Niakan. Sie möchte die recht neu entwickelte CRISPR-Cas9-Methode nutzen, um gezielt einzelne Gene des menschlichen Genoms so verändern und die Auswirkung dieser Veränderung auf die menschliche Embryonalentwicklung zu studieren. Doch was bedeutet all das genau?

Beginnen wir beim Thema „Gene“. Ein Gen ist ein Teil der DNA eines Lebewesens. Auf der DNA ist all die Information gespeichert, die notwendig ist, um dieses Lebewesen zu „bauen“. Also zum Beispiel, wie groß man ist, welche Gesichtsform man hat, welche Haarfarbe, etc. Unser Körper ist zu einem goßen Teil aus Proteinen, also Eiweißstoffen aufgebaut. Doch Proteine sind nicht nur die Baustoffe unseres Körper, sie stellen auch viele „Arbeiter“, die dafür sorgen, dass unser Körper funktioniert.
Diese funktionellen Proteine, Enzyme genannt, sind auch wesentlich an der Entwicklung eines gesunden menschlichen Babies aus einer befruchteten Eizelle beteiligt. Und wenn eines dieser Enzyme nicht richtig funktioniert, können schwere Entwicklungsdefekte entstehen. Frühe Defekte, die bei den ersten Teilungen der befruchteten Eizelle auftreten, können die Eizelle an der Einnistung in die Plazenta hindern oder den jungen Embryo so stark schädigen, dass er abstirbt. Solche frühen Defekte sorgen für einige Arten der weiblichen Unfruchtbarkeit und einen Großteil der Fehlgeburten. Schätzungen zufolge entwickeln sich nur 13 % der befruchteten Eizellen über den dritten Schwangerschaftmonat hinaus!

Über die Gründe für diese zahlreichen früh scheiternden Schwangerschaften ist sehr wenig bekannt – und das möchte Niakan mit ihrer Forschung ändern. Was ist nun die CRISPR-Cas9-Methode?
Es handelt sich dabei um eine recht neu entwickelte Methode für die ganz gezielte Veränderung von Genen. Bis vor einigen Jahren war die Veränderung von Genen noch sehr schwierig und ungenau, mit extrem geringen Erfolgsraten. Etwa so, wie wenn man eine Reihe Dosen hat und eine bestimmte Dose wegschießen will, aber leider nur eine Schrotflinte zur Verfügung hat. Mit CRISPR-Cas9 wurde Wissenschaftlern in aller Welt nun ein Präzisionsgewehr mit Zielfernrohr in die Hand gegeben. Es funktioniert buchstäblich wie ausschneiden und einkleben. Man kann perfekt den Teil eines Gens entfernen, den man will und dafür etwas beliebiges anderes einfügen, oder den ausgeschnittenen Teil einfach löschen. Ich weiß wovon ich rede, ich habe die Methode im Labor selbst angewendet – allerdings an Fruchtfliegen – und es hat hervorragend funktioniert! Und nur mit einer solch genauen Methode ist es überhaupt sinnvoll, an menschlichen Embryonen zu forschen. Denn nur, wenn man ganz genau kontrollieren kann, welche Gene man verändert und auf welche Weise, kann man verlässliche Aussagen treffen. Niakan und ihre Kollegen können nun also erforschen, welche Gene für die frühe menschliche Embryonalentwicklung wichtig sind, und warum. Sie hoffen, damit die Erfolgsraten für natürliche und künstliche Befruchtung langfristig zu erhöhen. Und wenn man bedenkt, dass Frauen in den Industrieländern sich immer später im Leben für Kinder entscheiden, wenn die Fruchtbarkeit bereits eingeschränkt ist, ist diese Forschung umso wichtiger. Schon jetzt wird jedes 80. Kind in Deutschland durch künstliche Befruchtung gezeugt!

Und aus der künstlichen Befruchtung, in der Fachsprache in vitro-Fertilisation, kurz IVF („im Glas-Befruchtung“) kommen auch die Embryonen, die Niakan und ihr Team verwenden werden. Für jede Frau, die IVF in Anspruch nimmt, werden mehr Embryonen befruchtet, als eingepflanzt werden – falls etwas schief geht. Die übrigen Embryonen durften bereits zuvor gespendet werden, zum Beispiel an Frauen, die selbst keine gesunden Eizellen hatten. Von nun an können Frauen in England die nicht eingepflanzten Embryonen auch dem Labor von Kathy Niakan spenden. Dort muss dann zügig gearbeitet werden, denn Niakan möchte sich die ersten sieben Tage der menschlichen Embryonalentwicklung genau anschauen. Die Embryos müssen nach spätestens 14 Tagen vernichtet werden und dürfen selbstverständlich keiner Frau eingepflanzt werden. Die Wissenschaftler dürfen auch nicht einfach wild drauflosforschen – jedes geplante Experiment, jedes untersuchte Gen muss zuerst dem Ethikrat vorgestellt werden, der in jedem Fall einzeln beschließt, ob das Experiment dem Erkenntnisgewinn dient und ethisch vertretbar ist.

Seit vielen Jahrzehnten versuchen Wissenschaftler in aller Welt, die menschliche Embryonalentwicklung besser zu verstehen. Bisher war das nur an Hand von Tiermodellen möglich. Ich selbst habe für genau diese Forschung die Fruchtfliege verwendet. Doch letztendlich kann man die Ergebnisse aus solchen Modellorganismen nicht uneingeschränkt auf en Menschen übertragen. Kathy Niaka und ihr Team können diese Lücke nun vielleicht schließen.

Trotz allen Regeln und Beschränkungen, denen die Forschung an menschlichen Embryonen nun noch unterliegt, denke ich persönlich, dass irgendwann einer Frau ein genetisch veränderter Embryo eingepflanzt wird. Ich glaube, dass es sich um einen Embryo handeln wird, bei dem einige krankhaft veränderte Gene repariert wurden. Und wer weiß, wohin das führt. Denn wir tun letztendlich doch alles, was möglich ist. Wir sind einfach zu neugierig, zu begierig auf Fortschritt, um es nicht zu tun. Versteht mich nicht falsch, ich bin absolut für diese Forschung. Aber ich gehe einfach davon aus, dass es immer weitere Kreise ziehen wird. Ich sehe dem recht zuversichtlich entgegen, schließlich bin auch ich nur eine neugierige Forscherin!

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Von Mäusen und Männern

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Dass Eltern sich um ihre Kinder kümmern, scheint selbstverständlich, schließlich ist es für das Überleben der Nachkommen und damit der gesamten Art notwendig. Doch was so selbstverständlich erscheint, ist in Wirklichkeit ziemlich kompliziert. Bis heute wissen wir nicht ganz genau, wie die elterliche Fürsorge für ihre Nachkommen im Gehirn „programmiert“ ist und was geschehen muss, um etwa eine männliche Maus vom Kindstöter zum fürsorglichen Vater umzupolen.

Bei vielen Säugetieren zeigen die Männchen aggressives Verhalten gegenüber Jungtieren, oft töten sie sie sogar. Männchen, die sich gepaart haben zeigen dieses Verhalten meist nicht, sie entwickeln stattdessen väterliche Instinkte.
Die Tötung von Jungtieren durch Männchen scheint ziemlich barbarsich, ist aber genetisch gesehen sinnvoll, denn ein Männchen will seine eigenen Gene möglichst weit verbreiten. Wenn es also nicht sicher sein kann, dass ein Jungtier von ihm stammt, tötet das Männchen es „vorsichtshalber“ und begattet das Weibchen dann selbst. Doch was hält ein Männchen davon ab, seine eigenen Nachkommen zu töten, selbst dann, wenn es sich gleich nach der Begattung davongemacht hat? Es könnte doch sein, dass so ein Männchen vergisst, mit wem es wann… na, ihr wisst schon. Und wenn es dann zurückkommt, macht es womöglich seine eigenen Bemühungen zunichte!

Um dieses Rätsel zu lösen, hat eine Gruppe von Neurowissenschaftlern um Catherine Dulac von der Harvard Universität männliche Mäuse Weibchen begatten lassen, und hat sie dann vom Weibchen getrennt. Selbst, wenn die Männchen die Weibchen nicht mehr sahen und in einem anderen Käfig waren, zeigten sie etwa ab der Zeit der Geburt ihrer Nachkommen väterliches Verhalten, sogar gegenüber Jungtieren, die sie nicht selbst gezeugt hatten. Mäuseväter helfen dann beispielsweise beim Nestbau oder putzen den Nachwuchs. Es gibt anscheinend also eine innere Uhr, die vom Zeitpunkt der Begattung an „herunterzählt“ und ziemlich genau zur Geburt abgelaufen ist – und dann eine zuvor aggressive männliche Maus zum lieben Papa macht.
Dieses Phänomen war zuvor bereits bekannt. Doch Catherine Dulac und ihr Team gingen noch ein paar Schritte weiter. Sie schalteten ein bestimmtes Protein im Jacobsonschen Organ der Mäuse aus. Das Jacobsonsche Organ befindet sich in der Nase von Säugetieren und besteht aus kleinen Einbuchtungen in der Schleimhaut. Es enthält spezielle Sinneszellen, die vor allem Pheromone, also Sexual-Lockstoffe

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santacruzpumas.org

wahrnehmen. Von der normalen Atemluft wird dieses Organ oft nicht erreicht – es sei denn, das Tier „flehmt“. Das hat man vielleicht bei Pferden schon einmal gesehen, sie ziehen die Oberlippe hoch (wer lustige Tierfotos sehen will, gibt einfach mal „flehmen“ bei Google ein). Das führt die Lockstoffe dann dem Jacobsonschen Organ zu und leitet den tierischen Casanova zum empfängnisbereiten Weibchen.

Wenn man nun die Funktion dieses Organs einschränkt – wie im Labor von Dulac und Co. – wird das Sexualverhalten der Mäuse stark verändert, und zwar bei beiden Geschlechtern. Männchen versuchen, sich sowohl mit Weibchen als auch Männchen zu paaren, Weibchen besteigen ebenfalls ihre Artgenossen jeden Geschlechts. Außerdem zeigt kein Geschlecht mehr Agressionen gegenüber fremden Mäusewelpen (jungfräuliche Weibchen sind Welpen gegenüber nämlich auch nicht so ganz freundlich). Das zeigt, dass Pheromone nicht nur den Paarungstrieb steuern, sondern auch die Fürsorge für den Nachwuchs!

An sich wäre dieser Fund schon interessant genug, doch Dulac und ihre Kollegen verfolgten das Signal aus dem Jacobsonschen Organ noch tiefer ins Gehirn der Mäuse. Dort fanden sie spezielle Neuronen, die das „Fürsorge-Signal“ an Gehirnzentren weiterleiten, die dann wahrscheinlich die Verhaltensänderung steuern. Dafür schütten diese Neuronen den Botenstoff Galanin aus. Wurde dieser Botenstoff in Mäusemüttern blockiert, ignorierten diese öfter die Hilferufe von aus dem Nest gefallenen Welpen. Auch Mäuseväter ohne Galanin zeigten deutlich reduzierte Fürsorge. Umgekehrt verringerte eine erhöhte Dosis Galanin in männlichen Mäusen deutlich deren Aggressivität gegenüber fremden Welpen, und zwar so stark, dass die Männchen die Welpen sogar zu putzen begannen.

Ob sich diese Erkenntnisse so ohne Weiteres auf Menschen übertragen lassen, ist jedoch äußerst fraglich. Das Jacobsonsche Organ ist beim Menschen nur bis zum achten Lebensmonat nachweisbar, danach „verschwindet“ es. Und es gibt so einige menschliche Väter, die kein gesteigertes Interesse an der Fürsorge für ihren Nachwuchs zeigen. Oder hat jemand von euch schonmal neun Monate nach einem One-Night-Stand das plötzliche, starke Bedürfnis entwickelt, ein Neugeborenes in den Armen zu wiegen?

 

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Schwein muss man haben!

Mehr als 10.000 Deutsche standen im Jahr 2014 auf der Warteliste von Eurotransplant, einer Non-profit-Organisation für Organspenden. Nur etwa 3.100 Menschen erhielten im selben Jahr eine Organtransplantation. (Wer mehr Zahlen will, findet sie hier: statistics.eurotransplant.org, englisch und hier: www.organspende-info.de, deutsch)

So oder so ähnlich sieht es in der ganzen Welt aus. Viel mehr Organe werden benötigt, als gespendet werden. Und selbst wenn Menschen bereit sind, nach ihrem Tod bestimmte Organe zu spenden, heißt das noch lange nicht, dass ihre Organe „passen“. Das Abstoßen von fremden Organen durch den Körper eines Patienten ist ein großes Problem. Oft müssen Menschen, denen fremde Organe transplantiert wurden, viele Medikamente nehmen, um die Abstoßung des Spenderorgans zu verhindern. Doch warum werden fremde Organe abgestoßen?

Jedes Lebewesen hat ein Immunsystem, das Eindringlinge erkennt und abwehrt. Die Eindringlinge können Krankheitserreger wie Viren oder Bakterien sein, aber auch Zellen anderer Menschen. Habt ihr es schon mal erlebt, dass ihr krank wurdet, nachdem ihr einen neuen Freund oder eine neue Freundin hattet? Am Anfang einer Beziehung knutscht man meistens ziemlich ausgiebig (und tut andere Dinge mit sehr intensivem Körperkontakt, nicht wahr…). Dadurch gelangen viele Zellen des anderen in unseren Körper. Das Immunsystem wird alarmiert von all diesen „Fremdlingen“, und kann durch diesen Ansturm auch mal überfordert sein – dann hat es keine Kapazitäten mehr um Erkältungs- oder Herpesviren zu bekämpfen und zack – werden wir krank oder kriegen Bläschen auf der Lippe. Mit der Zeit erkennt das Immunsystem die Zellen unseres Knutschpartners als harmlos und beruhigt sich wieder. Außerdem sinkt die Knutschfrequenz meist nach einigen Monaten Beziehung. Ähnlich ist es mit einem transplantierten Organ, nur, das dessen Kontakt mit dem Körper des Patienten viel ausdauernder und intensiver ist. Da beruhigt sich das Immunsystem eben nicht wieder, sondern kämpft andauernd gegen den „Eindringling“. Manchmal ist diese Abwehrreaktion so stark, dass das Organ wieder entnommen werden muss, weil es das Leben das Patienten gefährdet. Wie wunderbar wäre es, wenn Spenderorgane maßgeschneidert werden könnten!

Dieser Traum schwirrt schon lange in den Köpfen der Transplantationsmediziner herum, aber bisher konnte er kaum umgesetzt werden. Perfekt auf einen bestimmten Patienten abgestimmte Organe können natürlich nicht in anderen Menschen gezüchtet werden, das ist verboten und würde den anderen Menschen zum Ersatzteillager degradieren (interessanter Spielfilm zum Thema: Beim Leben meiner Schwester, OT: My Sister’s Keeper). In Schweinen allerdings wäre das möglich. Warum ausgerechnet Schweine? Nun, ihre Organe haben eine Größe, die gut in den menschlichen Körper passt. Wer jetzt entrüstet aufschreit, den lade ich ein, meinen Artikel über Tierversuche zu lesen.

Schon seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts hat man versucht, Organe aus Schweinen und Pavianen zur Organtransplantation bei Menschen zu verwenden – ohne Erfolg. Das Immunsystem des Menschen lehnt sich zu sehr auf. In den Jahrzehnten, die seitdem vergangen sind, hat man versucht, Gene des Schweins so zu verändern, dass seine Organe menschenähnlicher werden und so vom menschlichen Immunsystem nicht mehr als fremd eingestuft werden. Doch die Methoden zur gezielten Genmutation waren bis vor Kurzem sehr kompliziert und hatten eine geringe Erfolgsrate.

Vor wenigen Jahren wurde jedoch eine neue Methode entwickelt, mit der man kontrolliert ganz gezielte Veränderungen in Genen hervorrufen kann. Diese Methode funktioniert so gut, dass man dutzende Gene gleichzeitig genauso modifizieren kann, wie man gerne möchte. Sie wird jetzt angewendet, um Schweine genetisch so anzupassen, dass ihre Organe für menschliche Patienten geeignet sind. Doch was genau muss dafür verändert werden?
Jede Zelle im Körper eines Lebewesens trägt Proteine an ihrer Oberfläche. Diese Proteine sind für jede Spezies – Ratten, Schweine, Menschen – unterschiedlich. Doch nicht nur das, sie unterscheiden sich auch zwischen Mitgliedern derselben Spezies, also zwischen mir und meinem Freund. Und diese Protein sind es auch, die vom Immunsystem als fremd erkannt werden. Unser Immunsystem kennt die Oberflächenproteine unserer eigenen Zellen, nicht jedoch die anderer Menschen, mit denen wir gerade knutschen oder deren Organ wir eben in uns tragen. Darum stößt es diese fremden Zellen ab. Wenn aber die Gene, die den Bauplan für diese Oberflächenproteine tragen, so verändert werden, dass sie zum jeweiligen Patienten passen, würde das Organ nicht mehr als fremd erkannt. Das würde das Leben des Patienten sehr erleichtern, denn er müsste keine Medikamente mehr nehmen, um sein Immunsystem zu unterdrücken. Das bringt nämlich große Nachteile: Ein unterdrücktes Immunsystem stößt nicht nur das Spenderorgan nicht mehr ab, sondern wirkt auch nicht mehr gegen tatsächlich unerwünschte Eindringlinge, z.B. Krankheitskeime. Und selbst bei unterdrücktem Immunsystem kann das fremde Organ so viel Stress auf den Körper ausüben, dass das Leben des Patienten stark beeinträchtigt wird.

Doch noch sind wir nicht so weit, dass jeder ein genetisch auf ihn ausgerichtetes Organ bekommen kann. Noch sind Mediziner und Wissenschaftler damit beschäftigt, Schweineorgane überhaupt für Menschen geeignet zu machen. Aber von da bis zum maßgeschneiderten Organ ist es gar nicht so weit. Dies wäre eine große Hilfe und Erleichterung für all jene, die schon seit Jahren vergeblich auf ein Spenderorgan warten.

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Käfer putzen Leichen für faule Wissenschaftler

Das Museum für Wirbeltier-Zoologie im amerikanischen Berkeley nutzt fleischfressende Käfer, um Skelette zu reinigen. Die Larven und Erwachsenen Tiere des Speckkäfers Dermestes vulpinus fressen alles Fleisch, was sie finden können, lassen dabei aber selbst die kleinsten Knochen intakt. Sehr praktisch für die Präparatoren des Museums und noch dazu umweltfreundlich, weil chemikalienfrei. Aber wehe, wenn die Käfer aus dem Präparationsraum entwischen – sie fressen nämlich wirklich alles tierische Material, das kein Knochen ist und können in der Sammlung des Museums großen Schaden anrichten!

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